Sportlicher Körper ohne Essstörung

Montag, 5. September 2016 | Selin Höfle

Als ich mit dem Fitnesstraining begonnen habe, bin ich nur aus Spaß ins Studio gegangen. Auf dem Weg dorthin aß ich einen Schokoriegel und dachte mir, dass ich die Kalorien sowieso wieder verbrennen würde. Ich machte Sport um mehr essen zu können und nicht primär um abzunehmen. Irgendwann zeichneten sich dann doch die ersten sichtbaren Bauchmuskeln ab und ich wollte mehr. Mehr Definition, weniger Gewicht! Also stellte ich meine Ernährung radikal um. Schokolade, Eis, Pizza- alles gestrichen. Ich wollte zwanghaft „clean“ essen und sparte Kalorien wo es nur ging. Auf der Waage hatte ich Erfolg, denn irgendwann wog ich nur noch 53 kg auf 1,70m. Ich hatte panische Angst zuzunehmen und sagte sogar Verabredungen mit Freunden ab, nur um nicht von meinem strengen Ernährungsplan abweichen zu müssen. Aus diesem strengen Essverhalten, resultierten Fressattacken, die mich dazu brachten, noch mehr Sport zu machen und noch weniger zu essen, um diesen Fauxpas auszugleichen. Ein ewiger Kreislauf, der mich immer unglücklicher machte.

Im Vergleich zu heute sah ich damals wirklich krank aus. Mir war das allerdings nicht bewusst. Ich war zufrieden, solange mein Gewicht die 55kg nicht überschritt, denn das war meine absolute Gewichtsgrenze! Heute sieht es anders aus. Ich habe es geschafft, meinen Körper so zu lieben wie er ist. Ich bin nicht mehr dünn, sondern sportlich und fit. Das Essen beherrscht nicht mehr meine Gedanken.

Wie entkommt man denn diesem Teufelskreislauf? Wie verliert man die Angst vor dem Zunehmen und wie ich kann man die Kontrollzwänge ablegen?

Hier kommen meine Tipps

1. Vergiss die Waage!

Dein Gewicht schwankt jeden Tag und ist nicht aussagekräftig. Ich wiege momentan über 59 kg und kann immer noch Größe 34/36 tragen. Es ist viel wichtiger in den Spiegel zu schauen und nicht auf irgendeine Zahl! Ein sinnvoller Indikator sind außerdem die Klamotten. Wenn die nicht mehr passen und du es in letzter Zeit etwas lockerer angegangen hast, solltest du aufpassen.

2. Hör auf deine Kalorien zu zählen!

Tracking Apps können sinnvoll sein, um sich mal bewusst zu machen, was man eigentlich so den ganzen Tag über konsumiert. Fängt man aber an jedes Salatblatt und jede Tomate abzuwiegen und in seine App einzutragen, sollte man dringend die Notbremse ziehen. Die Nahrungsaufnahme sollte nicht der absoluten Kontrolle unterliegen.Wenn man sich an 3 Hauptmahlzeiten und zwei oder drei Snacks hält, Zucker, Fertigprodukte und Fett reduziert und auf ausreichend Protein achtet, dann hat man eine solide Grundlage für einen gesunde, ausgewogene Ernährung, mit der man seine sportlichen Ziele erreicht.

3.) Runter vom Cardiogerät!

Ich sehe täglich Mädels im Studio, die stundenlang auf Crosstrainern, Laufbändern und Fahrrädern verweilen und dabei einfach nur abgemagert und unglücklich aussehen. Wer so viel Cardio macht und dabei auch wenig isst, wird sehr schnell zunehmen, wenn er dieses Sportpensum einmal nicht mehr erfüllen kann. Versucht euer Cardiotraining zu reduzieren und beginnt euren Körper mit Krafttraining zu formen. Der Aufbau von Muskulatur lässt euch nicht nur besser aussehen, ihr könnt auch mehr essen ohne zuzunehmen, da Muskeln euren Grundumsatz erhöhen. Ein ausführlicher Beitrag zu meiner Trainingsroutine kommt bald online.

4.) Gönn dir Cheatmeals und beobachte…dass nichts passiert

Viele meinen, wenn man einmal etwas wirklich ungesundes oder einfach zu viel isst, wird man sofort fett. Es wirkt sich aber positiv auf den Körper aus, wenn man sich ein bis zwei mal in der Woche eine Mahlzeit gönnt, die etwas mehr Kalorien hat. Oder ihr gönnt euch mal ein Eis oder Schokolade am Wochenende. Natürlich alles in Maßen und nur wenn ihr auch wirklich Lust darauf habt. Wer viel Sport macht und sich gesund ernährt, fährt oft automatisch ein leichtes Kaloriendefizit. Diese Cheatmeals feuern euren Stoffwechsel an und verhindern, dass sich der Körper an eine niedrige Kalorienzufuhr gewöhnt („eingeschlafener Stoffwechsel“). Von Cheatdays halte ich persönlich nichts, da man das Essen irgendwann nicht mehr genießen kann und unglaublich viel Wasser einlagert.

5.) Entspann dich, es ist ein Hobby!

Viele „Fitnessprofile“ auf Instagram oder anderen Social Media Plattformen vermitteln den Eindruck, dass man sich gerade auf die Bühne oder einen Wettkampf vorbereitet. Es ist nicht schlimm, wenn ihr mal ein Training ausfallen lasst oder verschiebt, weil etwas dazwischen gekommen ist. Das wird eurem Körper nicht schaden und ihr nehmt auch nicht zu. Viele vergessen, dass der Fitnesslifestyle einfach nur ein Hobby ist und man mit seinem niedrigen Körperfettanteil kein Geld verdient. Es sei denn man ist Profibodybuilder oder Fitnessmodel und sogar die sind nicht das ganze Jahr über in Topform.  Wenig Fett am Körper macht euch nicht automatisch glücklicher oder beliebter. Es sind die Ausstrahlung und der Charakter, die einen Menschen besonders machen und nicht der „perfekte“, fettfreie Körper.

Ich fühle mich heute mit 59 kg so viel wohler und entspannter, als mit 53 kg. Vielleicht habe ich jetzt eine Delle mehr am Körper und kräftigere Beine. Aber ich bin glücklich, rechne nicht mehr alle Kalorien aus und stresse mich nicht mehr. Wenn ich merke, dass ich zunehmen, dann stelle ich die Cheatmeals ein oder mache etwas mehr Cardio. Versteift euch nicht auf euren Fitnesslifestyle, das Leben ist zu kurz um sich nur mit Kalorien und dem Körpergewicht zu beschäftigen. Das alles in einfach gesagt, wenn man sich im Kopf so festgefahren hat, kann man nicht von heute auf morgen alles ändern. Beginnt mit kleinen Schritten. Vielleicht wiegt ihr euch nur noch einmal die Woche oder versucht am Wochenende mal keine Kalorien zu zählen. Jeder kann es schaffen, ein sportliches Aussehen zu erreichen, ohne sich dafür zu quälen.

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